Vor zwei Tagen hab ich begonnen, einen Beitrag zu schreiben mit einer Liste von Unerfreulichem, von allerei Ungemach, mit dem ich in den letzten Tagen konfrontiert war (und zum Teil immer noch bin) und das mich zeitweise doch ziemlich mitgenommen hat.
An der Spitze dieser Liste stehen (ja, immer noch) meine Zähne und die anstrengenden, extrem lange dauernden Zahnbehandlungen hier in Budapest. Alte Kronen werden abgenommen, drunter kommen alle möglichen Löcher – manche bis tief rein unters Zahnfleisch – zum Vorschein und es wird tief gebohrt, geschabt, herumgekratzt…. puhhh!
Ich mache das nicht nur aus finanziellen Gründen hier in Ungarn, sondern weil die Zahnärztin sehr gut und auch sehr lieb ist, weil ich ihre altmodische Praxis in ihrer alten Villa mit Ausblick direkt in den herrlich wilden Garten sehr sympathisch finde und weil ich überhaupt gerne in Ungarn bin. Diesmal auf einem sehr sympathischen kleinen Campingplatz am Stadtrand von Budapest in waldigem Hügelland.
Nun, für heute hab ich eine zweieinhalb-stündige Behandlung erstmal überstanden und genieße nun dankbar diesen schönen Sommertag – den fast längsten Tag des Jahres!
Andere Punkte auf meiner Ungemach-Liste: der Verlust meines Führerscheins (keine Ahnung wo, wie, wann…?), stechende Kreuzschmerzen (die schon wieder abgeflaut sind), die Nachricht vom unerwarteten Ableben einer Bekannten, mein entzündetes Zahnfleisch, die Giga-und Megabites auf meinem Handy aufgebraucht, also kein Internetzugang mehr, das Gas im Camper für´s Kochen ebenfalls aufgebraucht… und eine leidige Geldgeschichte (Fehlinvestition, einem Betrüger auf den Leim gegangen) ist auch wieder aufgeflammt…
Naja, das meiste ist kein Drama, nur der Abgang dieser schönen, tollen Frau, die sehr bewußt ihren Weg gegangen ist, hat mich doch ziemlich erschüttert, mich schlagartig an die Fragilität unserer physischen Körper erinnert und daß jederzeit alles Mögliche passieren kann!
Das hat mich an einen Traum erinnert, den ich vor vielen Jahren mal hatte: mitten im schönsten Sommer, in einem leuchtend hellen Sonnenblumenfeld, erscheint eine dunkle Gestalt, der Tod. Nicht grimmig, nicht furchterregend, einfach sehr präsent, nicht zu übersehen – wie um mir zu sagen: Vergiß mich nicht ganz! Es gibt mich auch im schönsten, hellsten Sommer-Sonnenschein!
Dazu fällt mir das Yin-Yang-Symbol ein: der schwarze volle Kreis im weißen Feld – der Same der Dunkelheit im hellsten Licht!
So wie´s ja auch umgekehrt stimmt: der helle volle Kreis im dunklen Feld – die Geburt des Lichts in der tiefsten Finsternis.
Es passt also alles irgendwie zusammen: das Rübergehen meiner Bekannten ( in diesen Tagen haben mich noch weitere Nachrichten vom Ableben von Freunden von Freunden erreicht!), das Eindringen der Bohrer und spitzen Schaber in die Unterwelt meiner Zähne – dorthin, wo aufgeräumt, gereinigt, geputzt, saniert werden muß. Es ist ein heikler Prozeß, der mich nicht nur in der Mundhöhle hat wund fühlen lassen!
Dazu passt auch, daß mir an einem dieser „wunden Tage“ ein Vogel voll auf den Kopf geschissen hat – und zwar unglaublich viel!
Und doch – was soll´s… gestern konnte ich einiges in Ordnung bringen (Gas nachfüllen lassen, Gigabites nachgekauft, Wäsche gewaschen, den Camper sauber gemacht…) und seither fühl ich mich wieder stabiler und lebensfroher; heute überwiegt eindeutig die Freude und ein Hochgefühl – wir sind am höchsten Punkt des Jahres angelangt! Die Sommersonnenwende steht unmittelbar bevor!
Ich dehne und strecke mich nach oben, himmelwärts, mit einem Dankeslied an die Sonne (die uns heute ganz schön einheizt) und mit der Gewißheit: das Leben ist wunderschön, trotz allem!
Immer wieder fasziniert mich der krasse Gegensatz der Winter- und der Sommer-sonnenwende!
Im Winter das Hineinsinken in die inneren Tiefen, in die Tiefen von Mutter Erde, das Stillwerden und das ganz zu sich selbst Zurückkehren; im Sommer das Gegenteil: Lebensfreude, nach außen gekehrt, die Ausdehnung nach oben, ins Helle, Lichte…
Was beiden Sonnenwenden gemeinsam ist: die Zeit scheint für einige Tage still zu stehen – ein Innehalten am höchsten sowie am tiefsten Punktes des Jahreskreises.
Eine sehr besondere Zeit, die ich wach und bewußt erleben mag!