Auf dem Weg

„Auf dem Weg“ ist der Titel eines schönen Buches von Mingyur Rinpoche, einem tibetischen Meditationslehrer, der im Exil in Indien lebt. Als junger, hochverehrter Abt stand er einem tibetischen Kloster vor; das Buch beginnt damit, daß er in einer Nacht-und Nebelaktion das Kloster verläßt, um fortan das Leben eines Wandermönchs zu führen. Seine Motivation und Sehnsucht ist es, sein altes Leben – alles, womit er sich bisher identifiziert hat – sterben zu lassen und „neu zu werden“ – neue Herausforderungen zu suchen auf einem Weg, der sich erst Schritt für Schritt erschließt. „Öl ins Feuer gießen“, nennen das die Tibeter – „schwierige Situtionen absichtlich an die vorderste Front bringen, damit wir direkt mit ihnen arbeiten können….“ Das schöne, angesehene, geschützte Leben als Abt kennt er, schätzt er, liebt er, darin bewegt er sich sicher und souverän… und nun zieht es seine Seele weg, raus aus der „Komfortzone“, in ein Neuland voller Unsicherheiten, Ungewißheiten, schwierigen Herausforderungen, um darin zu wachsen, sich den auftretenden Ängsten zu stellen!

Es berührt mich, wie er seine Ängste, sein Erschüttert-Sein, seine Verlegenheit in für ihn ganz neuen Situtationen beschreibt, sogar aufkommende Panikattacken – und wie er damit umgeht… trotz aller Schwierigkeiten vertraut er darauf, daß er genug inneres Wissen und Erfahrung hat, um damit irgendwie zurechtzukommen.

Er schreibt: „Diese Reise hat tatsächlich begonnen. Jetzt bin ich unterwegs. Wohin werde ich gehen? Ich weiß es nicht. Wie wunderbar.“

Ist das nicht schön?! Ist es nicht das, was ich auch suche (wenn auch in sehr abgemilderter Form), wenn ich mit meinem Campingbus losfahre und oft gar nicht wirklich weiß, wohin die Reise gehen wird… etwas in mir schaltet um auf erhöhtes Vertrauen auf mein Geführt- und Getragensein, erhöhte Wachheit… im Reisen finde ich mich meist (wenn die Reise stimmig ist von innen her) mühelos und natürlich im Fluß des Lebens (leichter als in den festen vier Wänden meiner Wohnung!)

Dazu passt gut eine Stelle im Buch, wo er Folgendes beschreibt: „Wie schnell fand ich Trost in dieser Routine, zu „meinem“ Platz im Park und in „mein“ Zimmer zurückzukehren“ (seit wenigen Tagen hält er sich am Sterbeort Buddhas auf und meditiert täglich viele Stunden lang im Park)… „Doch während mein Geist durch das Gefühl in Sicherheit zu sein, immer friedlicher wurde, wurde er zunehmend auch kleiner, so als schrumpfte er, um sich der Größe des Zimmers anzupassen. Während mir der Aufenthalt innerhalb meiner vier Wände einen gewissen Trost spendete, so erweckte er auch erneut meine Neugier auf die Welt da draussen und ich war begierig, meine Abenteuer auszuweiten…..“ Wie gut ich das nachvollziehen kann!

Überhaupt ist das Buch voller Inspirationen… z.B. beschreibt er eine Situation im nervenaufreibenen Bahnhof von Varanasi, wo er einige junge Leute aus den USA beobachtet, die sich äußerst selbstbewußt und für sein Gefühl überheblich geben; anstatt zu werten, wünscht er ihnen Gutes: „Ich hoffe, sie finden hier etwas, wovon sie profitieren können: ein wie immer geartetes Verständnis von der Welt und ihrem Platz darin, was einen positiven Einfluß auf ihre Richtung nehmen kann und was sie mit ihren Freunden zu Hause teilen können….“. Um wieviel besser sich das anfühlt als eine schnelle kritische Wertung (wie sie in mir oft automatisch abläuft)!

Als er wieder in einen Zug steigt (beim erstenmal hatte er mit aufkeimenden Panikattacken zu tun), kann er schon besser mit der Situation umgehen. „Statt gegen mein Unbehagen anzukämpfen, wurde ich anpassungsfähiger. Ich sagte mir: Ich bin also angespannt, na und? Ich mag es nicht, wenn Leute mich argwöhnisch beäugen – das ist ok. Registriere es, verstell dich nicht, lass es geschehen….“

Das finde ich so wohltuend menschlich! Auch ein hochverehrter Meditationslehrer kommt innerlich aus dem Gleichgewicht, steht dazu, lässt es geschehen… ohne sich ganz damit zu identifizieren!

Viele Jahre lang hatte ich einen wunderbaren Lehrer, der in dieser Hinsicht genau das lebt und gelehrt hat: Fühlen was JETZT IST, auf wohlwollende, freundliche Art, Widerstände loslassen (es darf jetzt genau so sein, wie es ist… hineinatmen… und es ändert sich, darf sich wandeln….usw…)

Durch eine meiner besten Freundinnen bin ich auf Mingyur Rinpoche gekommen – sie hat mir vor einiger Zeit das folgende Video geschickt!

Wie wohltuend, sein Humor!